Der Fluss steht einen halben Meter über dem Pegel, die Strömung reißt junge Birken mit – und genau jetzt beißt der Hecht wie verrückt. Hochwasser ist kein Grund zum Aufhören, sondern das beste Beißfenster des Jahres, wenn du die Strömungskanten kennst. Die meisten Angler bleiben bei steigenden Pegelständen zu Hause; wer sich traut und die Fluten von unten trotzt, wird oft mit tollen Fängen belohnt. Das Problem: Viele Angler wissen nicht, wo die Fische jetzt sind, wie sie ihr Gerät anpassen und vor allem, wie sie sich selbst schützen. In den nächsten Abschnitten zeige ich dir, wie du trotz Hochwasser gezielt mehr fängst – sicher und effektiv.
Sicherheit & Rechtliches: Nichts fängst du, wenn du im Wasser landest
Sicherheit beim Hochwasser angeln ist nicht verhandelbar. Bevor du deine Rute packst, klär drei Dinge: Pegelstand, Strömungsgeschwindigkeit und deine lokalen Regelungen.
Pegelstand prüfen: Kontrolliere online die aktuellen Messwerte. Eine Faustregel: Strömungsgeschwindigkeit über 1,2 m/s macht das Angeln gefährlich. Bei 1,5 m/s solltest du vom Wasser fernbleiben – die Kraft ist unterschätzt. Ein 30 kg schwerer Angler kann in 3 Sekunden mitgerissen werden.
Deine Sicherheitscheckliste vor jedem Ausgang:
- Festes Schuhwerk: Keine Turnschuhe, Wasser-Trekkingschuhe mit guter Sohle
- Sicherungsleine: 50m+ Rettungsseil am Gurt, befestigt an einem stabilen Baum oder Pfosten – nicht am Auto
- Abstand zum Wasser: Mindestens 5 Meter Sicherheitsabstand halten, nie der Uferabbruchkante folgen
- Team-Regelung: Niemals allein angeln, mind. 2 Personen – einer beobachtet immer den anderen
- Pegelverlauf checken: Nicht nur der aktuelle Stand, sondern auch die nächsten 3 Stunden – steigt der Pegel noch?
Rechtliches: Bei Hochwasser Regelungen gelten je nach Bundesland unterschiedliche Regeln. Manche Bundesländer untersagen das Angeln während Hochwasser in bestimmten Zonen oder Zeiten. Prüfe vorab deine lokale Fischereiverordnung – notfalls beim Angelverein nachfragen. Auch Befahrensverbote für Flussabschnitte können gelten. Halten dich daran; Verwarnungen sind teuer.
Im Notfall: Handy mitführen (in wasserdichtem Beutel), den Notruf kennen (in Deutschland: 112). Ein erfahrener Revierkenner neben dir ist deine beste Versicherung.
Hochwasser-Spots: Wo Fische bei Hochwasser wirklich fressen
Bei Hochwasser Angelstellen gilt eine einfache Regel: Fische meiden die Hauptströmung und suchen Pausen. Durch die höhere Wassermenge steigt die Strömungsgeschwindigkeit im Mittelstrom um das Zwei- bis Dreifache. Die Fische ziehen sich aktiv in ruhigere Zonen zurück – dort fressen sie aber intensiver, weil die Strömung ständig neue Nahrung bringt.
Die produktivsten Hochwasser-Hotspots:
1. Strömungskanten hinter Hindernissen: Hinter umgestürzten Bäumen, Steinen oder Pfahlreihen bildet sich ein Stromschatten – ein Ruhepol in der Strömung. Hier legen sich Fische hin und schnappen Beute, die vorbeitreibt. Beispiel: Am Rhein-Kilometer 342 bei Pegel +1,20m kommen 8 von 10 Hechten aus der dunklen Mulde unterhalb des umgestürzten Eichenstammes. Steh auf der Deichkrone, ziele auf den Schatten links des Holzes – dort ist Flachwasser mit langsamer Strömung.
2. Geflutete Uferzonen: Ein Meter Wassertiefe bei Hochwasser kann mehr Fische führen als drei Meter bei Normalpegel. Warum? Fische nutzen Hochwasser für Laichwanderungen in überflutete Wiesen und Büsche – dort finden sie Würmer, Engerlinge und Laichareale. Mit Rutenspitze die Wasserlinie scannen; ruhige Stellen erkennst du an abgebrochener Wasseroberfläche oder leichten Wirbeln.
3. Einläufe und Grabeneinmündungen: Kleine Bäche und Gräben, die in den Fluss münden, werden bei Hochwasser zu Top-Plätzen. Fische flüchten hierher, um dem Druck der Hauptströmung zu entgehen. Die Einlaufstellen von Bächen in überflutete Altarme sind bei Hochwasser die besten Hotspots – hier konzentrieren sich Fische regelrecht.
4. Karten-Check mit Isobathen: Öffne eine digitale Gewässerkarte oder nutze Google Earth. Isobathen (Tiefenlinien) zeigen dir bei Hochwasser neue Futterrouten an. Flachwasserlinien auf der Karte = Fisch-Treffpunkte. Markiere diese Punkte vorab im Handy – spart Zeit am Wasser.
Bekannte Plätze bevorzugen: Angeln Sie bei Hochwasser immer an einem Platz, der Ihnen schon bekannt ist. Überflutete Wiesen und Buschreihen sind Hänger-Fallen; du kennst dort die verborgenen Obstacles nicht. Legen Sie Ihren Köder an ruhigen Stellen ab, zum Beispiel am Fuß einer Steinpackung oder in einer bekannten Mulde – nicht irgendwo auf überspültem Terrain.
Rig-Modifikationen: So hält dein Gerät bei Strömung
Bei Hochwasser Rigs muss dein Setup die Strömung halten und gleichzeitig natürlich wirken. Das ist die Balance-Akt: Zu leicht, und der Köder treibt; zu schwer, und die Fische ignorieren ihn. Bei starker Strömung erfordert dein Gerät gezielte Anpassungen.
Bleigewicht nach Fließgeschwindigkeit: Das ist der kritische Punkt. Je schneller die Strömung, desto schwerer das Blei – aber nicht willkürlich. Hier die Orientierungswerte:
- 0,5 m/s (schwache Strömung): 15g Blei
- 1,0 m/s (mittlere Strömung): 25g Blei
- 1,5 m/s (starke Strömung): 30–40g Blei
Warnung: Zu schweres Blei (über 40g bei 1,5 m/s) verhindert natürliche Köderführung – Fische beißen nicht, wenn der Köder wie ein Stein am Grund klebt. Teste vor Ort: Halte die Rute 45° nach unten, spüre leichte Vibrationen – das ist der Grundkontakt, den du brauchst.
Vorfach-Modifikation: Wechsel von 0,25er auf 0,35er Vorfach. Die dünnere Schnur reißt bei Hochwasser bei Hängern zu schnell ab. Mit 0,35er hast du mehr Reserven, ohne dass Fische den Unterschied merken.
Praxisbeispiel – German-Rig bei Pegel +1,20m am Rhein:
- 30g Blei statt 20g
- Vorfach 50cm kürzer (statt 80cm nur 30cm)
- Hauptschnur verlängert (um Köder in Strömungskanten zu positionieren)
Grundkontakt im Drill: Während des Drills halte die Rute so hoch wie möglich, damit gehakte Fische nicht in Schilf oder Büsche unter Wasser flüchten. Bei Hochwasser ist dein Gegner nicht nur der Fisch, sondern auch die Strömung und das Totholz. Benutze stärkeres Gerät als üblich – 0,12er Vorfächer sind bei Hochwasser wenig wert. Mit 0,16er–0,20er Hauptschnur und stabilem Gerät landest du auch größere Fische sicher, ohne dass diese verloren gehen.
Köderwahl & Führung: Bisse im trüben Wasser erzwingen
Bei Hochwasser ist das Wasser trüb – oft nur 10–30cm Sichttiefe. Fische sehen schlecht, nutzen aber Druck- und Geruchssinn. Das heißt: Du brauchst auffällige Farben, Geruchsköder und eine spezifische Köderführung, um Bisse zu erzwingen.
Farbwahl je nach Sichttiefe:
- Unter 30cm Sichttiefe: Neongelb, Chartreuse – maximale Kontrastwirkung
- 30–60cm Sichttiefe: Kontrastfarben (Rot/Schwarz, Weiß/Schwarz)
- Über 60cm Sichttiefe: Natürliche Farben (Grün, Braun)
Praxisergebnis: Bei Rhein-Hochwasser 2024 brachten fluogelbe Gummifische bei 10cm Sichttiefe 8x mehr Bisse als Naturfarben. Bei Sichttiefe unter 30cm verdoppelst du deine Erfolgsquote mit Kontrastködern.
Stark riechende Köder nutzen: Der Geruchssinn ersetzt die schlechte Sicht. Köder, die in Flavours wie Monster Crab oder fischigen Dips eingetaucht werden, bringen auch passive Fische. Streng riechende Käsesorten und Hähnchenleber punkten ebenfalls – besonders beim Aalangeln bei trübem Wasser fressen die Schlängler den ganzen Tag. Die Bisse kommen meist vehement.
Köderführung – Schritt für Schritt: Bei trübem Wasser funktioniert schnelles Zucken nicht. Die Fische brauchen Zeit zu registrieren. Hier die bewährte Abfolge:
- Schritt 1: Köder 30 Sekunden am Grund liegen lassen (nicht werfen und sofort einrollen)
- Schritt 2: Langsame 10-cm-Zupfer mit 1 Sekunde pro Zug (nicht schneller)
- Schritt 3: 5-Sekunden-Pause nach drei Zupfern
- Wiederholen: Diese Abfolge 3–4x, dann neu werfen
Analogie: Wie im Nebel mit Taschenlampe winken – kurz, rhythmisch, auffällig. Schnelle Bewegungen verschrecken Fische im trüben Wasser; sie reagieren auf langsame, deutliche Reize.
Köder-Größe anpassen: Bei starker Strömung nutze kürzere Köder. Beispiel: 12cm Silikonaal statt 15cm, weil die Strömung stärker zieht. Zu lange Köder wirken unnaturbelastend in schnellem Wasser.
Keine Überforderung: Bei Trübung reicht ein auffälliger Einzelköder – nicht zwei oder mehr. Mehrere Köder verwirren Fische und reduzieren Bisswahrscheinlichkeit. Halte es einfach.
Hochwasser meistern: So fängst du mehr – nicht weniger – bei Hochwasser
Hochwasser ist kein No-Go, sondern die beste Fangzeit – mit Sicherheitscheck, gezielter Spotwahl an Strömungskanten und modifiziertem Rig holst du jetzt mehr Fische als bei Normalpegel. Nimm diese drei Schritte bei der nächsten Hochwasser-Tour: 1. Sicherheitscheck mit Seil und 5m Abstand ✓ 2. Suche Strömungskanten hinter Totholz ✓ 3. Rig mit 20% schwererem Blei ✓ – und du wirst sehen, wie der Hecht schon bei Pegel +0,80m zuschlägt. Vergiss ratlose Tage am Ufer; stattdessen zielst du jetzt gezielt auf produktive Zonen. Viel Erfolg am Wasser – und denk dran: Sicherheit ist kein Verzicht, sondern dein bestes Werkzeug.